Der vergessene Charme entlegener Casinos

Wer bei Casinos in erster Linie an Las Vegas typische Reizüberflutung denkt, der sollte sich einmal im Leben in die Tiefen Kaliforniens und Nevadas wagen. Solange bis anstatt eines hübsch-hässlichen Freizeitparks mit Wüstenklima, nur noch Wüste mit einem kleinen Rest menschlichen Bedürfnises nach Freude und Unterhaltung übrig bleibt.

Dieses Urding unserer Existenz hält sich hier recht tapfer aufrecht. Von Geltungsbedürfnis kann in einer so lebensfeindlichen Gegend wohl kaum mehr die Rede sein. Man möchte denken, der Mensch hält sich demütig zurück im Angesicht brennender Naturgewalt. Und dennoch – er versucht…

Und so landet der Reisende an einem Ort, der mehr einer Traumdarstellung Kästners ähnelt, als einem wirklich (!) existierenden (!!) Etwas.

Einem Ort, an dem man sich auf 200 Meilen genausogut auf dem Mars befinden könnte, aber Katzen immer noch Katzen sind.

Wie viel des historischen Charmes tatsächlich älter ist als einige Jahrzehnte, sagt einem natürlich niemand so genau.

So saß ich abends rätseld vor dem Spiegel und hätte zu gerne gewusst, ob die ersten Damen, die es mir gleichtaten glamuröse Showgirls waren, oder von Hitze und AirCon geplagte Touristen. Wahrscheinlich war es letzteres. Zu schade…

Impressionen aus Big Island

Vom LA International Airport (vielen Dank an Susan Raye für den damit immer einhergehenden Ohrwurm) nach Kailua-Kona sind es Luftlinie gut 4.000 Kilometer.

Gut möglich, dass Hawaii der perfekte Ort für jeden leicht auf der Fassung zu bringenden Touristen ist. Die Insel kommt idyllischen Werbeprospekten recht nahe!

Unendliches Blau

An diesem Stand bekam man endlich die lang ersehnten Schildkröten zu Gesicht.

Gemütliche Gestalten

Und was wäre Hawaii ohne Vulkangestein?

Hawaii Volcanoes National Park

Guter Stil als DIN Produkt

„Ich geb’ dir gleich veraltete Sprache, du NARR!“*

…war meine exakte, eventuell leicht übertriebene, Reaktion auf die liebevolle Anmerkung meines Textverarbeitungsprogramms, ich solle doch vermeiden „veraltete Sprache“ zu verwenden.

Ich finde es erstaunlich, dass die von digitalen Dienstleistungsprogrammen kommerzialisierte Vereinheitlichung sich mittlerweile anmaßt, wissen zu wollen, was Stil ist.

Das denke ich weder, weil ich einen grundsätzlichen Hass auf digitale Dienstleistungsprogramme hege (ganz im Gegenteil) noch, weil ich meinen eigenen Stil als so toll und über jeglicher Kritik schwebend ansehe.

Stil ist jedoch eine Frage des Moments und des Geschmacks.

Ich könnte einer Software zwar noch zutrauen, ersteres in einer Vielzahl von Fällen annehmbar korrekt zu erkennen, aber ich traue keiner Software dieser Welt wirklichen Geschmack oder irgendeine Form tiefgreifenden Stilgefühls zu.

Auch lebt Stil eben von einer heterogenen Mischung aus Ecken und Kanten, bewusster und unbewusster Wortwahl, fixen Ideen…
Das fällt weg, wenn nachträglich mit einer Sense normierter Textanforderungen darüber geschnitten wird.

Beste Grüße
Leonie

Die „veraltete Sprache“, um die es sich handelte, war übrigens „selbiges“. Statt der archaischen Wortwahl werde ich an dieser Stelle aus Platz- und Zeitgründen vermeiden, darauf einzugehen, was ich davon halte.

*Ich lade den Leser ein, hier den inneren Torsten Sträter als Vorleser zu bemühen.

Agatha Christie und die Kunst des Kriminalromans

07.01.22 | Agatha Christie und die Kunst des Kriminalromans

Zu Weihnachten habe ich von meinem Bruder einen Thalia Gutschein geschenkt bekommen, wodurch ich die Gelegenheit hatte spontan zwei, drei Bücher zu kaufen, ohne mir zuvor zu überlegen, was eigentlich gerade auf meiner Liste steht. (Nicht, weil ich das sonst nicht auch könnte, sondern weil ich Gutscheine gerne auch dafür hernehme, mich mit einer Kleinigkeit sozusagen zu überraschen)

Am Ende bestand meine Ausbeute aus einem historischen Roman und zwei Kriminalromanen. Um den Roman („Die Dame hinter dem Vorhang“) soll es an dieser Stelle aber nicht weiter gehen.

Die Kriminalromane, das waren „Das Geheimnis der goldenen Schnalle“ und „Das Geheimnis von Sittaford“ von Agatha Christie.
Ein Geheimnis ist offensichtlich nicht die Titelsystematik der deutschen Christie Übersetzungen.

„Das Geheimnis der goldenen Schnalle“ habe ich gerade noch heute Nacht beendet. Mir ist bei beiden Roman wieder einmal aufgefallen, weshalb ich gute Krimis immer auch über ihre konkrete Handlung hinaus bewundernswert finde.

Was den Aufbau angeht, teilt der Kriminalroman sein Schicksal mit dem klassischen Thriller. Bei beiden weiß man doch recht genau wie es ausgehen soll, denn der Ausgangspunkt dafür wurde schon zu Beginn gesetzt. Es gibt ein Rätsel (meist einen Mord), also muss es auch etwas (meist eine Person, regelmäßig zwei, selten mehrere) dahinter geben. Das ist das Grundproblem.

Problem Nummer zwei ist Folgendes: Es ist selten sinnvoll einen Täter zu wählen, den der Leser erst in der letzten Seite kennenlernt. Ein guter Krimiautor muss es also irgendwie schaffen, mit möglichst früh auftretenden Charakteren Spannung aufzubauen und ihnen bei Bedarf passende neue Facetten anzudichten.

Da gibt es nun zwei Möglichkeiten, die die Grenzen eines allgemeinen Krimi-Handlungssprektrums stellen.

1. Die Vorabend-Krimi Deklination:

Der Täter wird hier bereits zu Beginn (als Angehöriger oder Verdächtiger) vorgestellt, dann jedoch abwechselnd von anderen Verdächtigen mit stichhaltigeren Beweisen abgelöst, um anschließend durch einen neuen schockierenden Beweis doch überführt zu werden.

(Der sehr gute Krimiautor hebt sich bei der Vorabend-Krimi Deklination übrigens dann leicht von seinen Kollegen ab, wenn er es schafft, das Motiv des Täters so zu gestalten, dass es gerade so überraschend kommt, dass es der aufmerksamste Leser oder Zuhörer mit viel Kreativität doch noch hätte erkennen können.)

2. Die ratlose Masse:

Kurz: Alle sind verwirrt und sich dessen auch bewusst. Die Reihenfolge, nach der die Charaktere vorgestellt werden, erlaubt keine Hinweise darauf, wer wahrscheinlicher Täter war oder nicht. Besonders ist vor allem, dass der Ermittler lange Zeit selbst wissentlich im Dunkeln tappt.

In beiden Kategorien aber entstehen Erwartungshaltungen, denn der versierte Leser wird diese Strukturen erkennen und mit neuen Mustern ausgearbeitet sehen wollen.

Das Problem entstand für mich bei „Das Geheimnis von Sittaford“

In diesem Roman wurde die Vorabend-Krimi Deklination sehr simpel eingebaut.
Wen man zuerst kennenlernte, war Täter. An sich ist das immer noch der beste Weg zum Klassiker. Problematisch wurde es aber mit der Auflösung. Nachdem ich alle Figuren relativ ereignislos kennengelernt hatte, habe mich auf eine phänomenale Agatha Christie typische Auflösung à la „Mord im Orient Express“ oder „And then there were none“ gefreut, aber als es gerade spannend wurde, wurde der Täter einfach als der Herr vom Anfang entlarvt. So viel verschenktes Potenzial.

In „Das Geheimnis der goldenen Schnalle“ wurde das Ganze jedoch wieder sehr, sehr schön gelöst

…und es hat unglaublich viel Spaß gemacht zu lesen.

Es zeigt sich offensichtlich wieder, dass es erfolgversprechend ist, wenn den ungeschriebenen Regeln des Kriminalromans durch den Autor irgendwo Folge geleistet wird. Schließlich hat man auch nur eine gewisse Menge von Charakteren, mit denen man spielen können muss.

Mein literarischer Jahresrückblick 2021

Texte aller Art, die mich 2021 begleitet und auf unterschiedlichste Weise fasziniert haben. Dazu ein Satz, in dem ich versuche entweder eine kurze Empfehlung auszusprechen, knapp zu rekapitulieren oder euer Leseinteresse zu wecken.

Ruth Bader Ginsburg – Helena Hunt 

Das erste Mal, dass ich Näheres über Ruth Bader Ginsburg‘s Werk und Leben erfahren habe.

Einführung in das Recht – Reinhold Zippelius

Irgendwo muss man schließlich beginnen.

Die Bibel

Die Bibel in einem Jahr – es ist geschafft!

Writers of the Philokalia – Marilynn Hughes

Ein Überblick über die Philokalia, nach dessen Lesen ich mich in ein mehrstündiges YouTube-Recherche-Interview Loch verloren habe.

The putrescent vein – Dorian Bridges 

Zum Lesen inspiriert von den schaurig-schönen YouTube Videos von „Of Herbs and Altars“.

Grundlinien der Philosophie des Rechts – G. W. F. Hegel

Der Fund einer Flohmarkt-Kiste am Straßenrand.

Ordeal by Innocence – Agatha Christie

Der einzige Agatha Christie Roman des Jahres und ein voller Erfolg, den ich jederzeit zu 100% weiter empfehlen würde.

Der blutrote Teppich – Christof Weigold

Eine Flucht in das düster-staubige Nachtleben der 20er Jahre.

Krieg und Frieden – Lew N. Tolstoi

Ein Monumentalwerk, perfekt für verschneite Winterabende (Plural!).

Die besten Geschichten – Edgar Allan Poe

Nach dieser Sammlung konnte ich mich zum ersten Mal wirklich als Edgar Allan Poe Bewunderer bezeichnen.

Metaphysik – Aristoteles

Perfekt, wenn man die „Schriftrollen-Anekdote“ mit Inhalt füllen möchte.

Goethe – Rüdiger Safranski

Eine Goethe Biographie, die die Weimarer Zeit auf ein paar hundert Seiten wieder zum Leben erweckt.

Vorlesungen über Ästhetik – G. W. F. Hegel

Ein Werk, das jeder lesen sollte, dem „aesthetics“ als leeres Schlagwort von Zeit zu Zeit doch mal zu viel werden. 

Die Widerspenstige – Penelope Williamson

Tja…auch Flohmarktfunde sind nicht immer ihr Geld wert.

Der Graf von Monte Christo – Alexandre Dumas

Wunderbar!!

Vatermax- Götz Liedtke

Die Lebenswege so vieler Menschen sind es absolut wert einmal literarisches oder filmisch dokumentiert zu werden, Max Liedtkes gehört dazu.

Chronik des Cthulhu-Mythos I – H. P. Lovecraft

Horrorerzählungen, die einem einen Einblick in die Ursprünge des Genres geben; und man sieht der Mensch hatte schon immer Spaß am Gruseln.

Mephisto – Klaus Mann

Ich habe während des Lesens nur noch darauf gewartet, dass auf einmal Marlene Dietrich auftaucht.

Atlas der erfundenen Orte – Edward Brooke-Hitching

Geographie, Kultur und Menschheitsgeschichte verbunden mit wunderschönen Karten.

The Castlemaine Murders – Kerry Greenwood

Teilweise könnte ich Kerry Greenwood‘s Romane sogar mehr schätzen, als die Verfilmungen, wenn die Dame nur endlich lernen würde zu schreiben.

Feuer der Freiheit – Wolfram Eilenberger

Hannah Arendt in Topform!

Frau Jenny Treibel – Theodor Fontane

Ein Roman mit einer Person, deren Vorname der modernste Aspekt der ganzen Geschichte ist.

Sister Outsider – Audre Lorde

Wie das Lesen in einem fremden Tagebuch, nur in weniger spannend.

Der bewachte Kriegsschauplatz – Kurt Tucholsky

Kein Roman, aber gerade aufgrund des vielzitierten „Soldaten sind Mörder“ ein paar Minuten der eigenen Zeit wert.

Kurt Tucholsky Gesammelte Werke – Kurt Tucholsky

Mein Ergebnis des bewachten Kriegsschauplatz.

Le deuxième sexe I – Simone de Beauvoir

Habe ich das nun auch einmal gelesen.

9 1/2 perfekte Morde – Alexander Stevens

Der Beginn meiner bis heute anhaltenden Faszination mit juristisch-belletristischer Literatur.

Strafe – Ferdinand von Schirach

Eine Sammlung diverser juristischer Gedankenspiele.

Verbrechen – Ferdinand von Schirach

Weitere Geschichten aus der Lebenswelt nicht nur eines Juristen, sondern eines Mann von Welt, der eben diese Welt feinsinnig und ohne Angst vor dem Tragischen aufs Papier bringt.

Die verlorene Ehre der Katharina Blum – Heinrich Böll

Nach Seite 80 habe ich mich erinnert, dass es einen Heinrich Böll und einen Heinrich Spoerl gibt, der Rest des Romans war anschließend deutlich weniger verwirrend.

Kim Jiyoung, geboren 1982 – Cho Nam-Joo

Einer dieser Romane, bei dem man ständig den Drang hat die Hauptfigur vor ihrem Leid zu bewahren.

La chaleur de la raison – Ferdinand von Schirach & Alexander Kluge

Ein wunderbares Gespräch, dessen Elemente ich immer noch gerne zitiere.

Geschichten aus dem Wiener Wald – Ödön von Horváth

Die Gefahren des traditionsgeprägten Dorflebens.

Die rechtschaffenen Mörder – Ingo Schulze

Ein Roman, dessen sämtliche Elemente ich während des Lesens immer wieder, bis zum Ende, hinterfragt habe.

Der Fremde – Albert Camus

Ein Muss für jeden Liebhaber dramatischer Plädoyers.

Noah – Sebastian Fitzek

Das Ergebnis dessen, wenn Kreativität die Realität an Punkten berührt, an denen man es nicht für möglich gehalten hätte.

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I – Karl Popper

Gerade auch die Arbeit hinter dieser gesellschaftstheoretischen Meisterleistung ist ausnahmslos bewundernswert.

Wallenstein – Friedrich Schiller

Ich finde es immer wieder interessant, wie sich die Faszination um historisch bedeutende Persönlichkeiten durch alle Dekaden der Geschichte zieht.

Die 120 Tage von Sodom – Donatien Alphonse François de Sade

Ich fürchte, man kann dieses Werk nicht ohne schlechtes Gewissen empfehlen.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull – Thomas Mann

Ein Roman, auf dessen Figuren sich einzulassen einfach Spaß macht.

Der Bewohner – David Jackson

Ein Thriller der zeigt, wie hoch man seine Privatsphäre tatsächlich schätzen kann, gerade auch dort wo sie – über den vielerwähnten Datenschutz hinaus – physisch am selbstverständlichsten scheint.

Die Venus im Pelz – Leopold von Sacher-Masoch

Einfach ganz oberflächlich gedacht meiner Meinung nach einer der schönsten Romantitel überhaupt. Wer mehr wissen will, muss selber lesen.

Das Joshua-Profil – Sebastian Fitzek

Tatsächlich so beklemmend, dass ich gegen Mitte auf die Wikipedia Zusammenfassung umgestiegen bin.

Der Stechlin – Theodor Fontane

Perfekter Ausgleich zu Fitzek, denn hier zählt mit dem ruhigen Gespräch nur das eine.

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II – Karl Popper

Gerade auch im Hinblick auf die Wiederaufkommens Marx Faszination sicherlich interessant, wenn man sich eine differenziertere Meinung rund um die Kapitalismus-Kritik der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte erarbeiten möchte.

Versteckt: Dunkle Geschichten – Simon Beckett

Diese gruselige Kurzgeschichten Sammlung hat mich fast zum Beckett Fan gemacht.

Candide ou l‘optimisme – Voltaire

„Candinde ou l‘optimisme“, für mich die moderne Version des Simplicissimus von Grimmelshausen.

Die Dreigroschenoper – Bertold Brecht

Nachdem ich zunächst sogar zwei Verfilmungen des Romans gesehen habe (beide haben mich sehr begeistert!) kam ich in diesem Jahr endlich dazu auch das „Original“ zu lesen.

Der Maulkorb – Heinrich Spoerl 

Unterhaltsam für einen Nachmittag.

Six of Crows – Leigh Bardugo

Eine kurze Fantasy Flucht auf Empfehlung meiner Freundin.

Miss Bensons Reise – Rachel Joyce

Eine dieser belletristischen Geschichten um zwei liebenswert schrullige Figuren, die zusammenfinden. Schön hier: einige Alleinstellungsmerkmale.

Der Donnerstags Mordclub – Richard Osman

Um einen guten Freund zu zitieren: „Coole Omas“.

Der Großinquisitor – Fjodor M. Dostojewski

Ein Teil der „Brüder Karamasow“, den ich fast vergessen hatte und in diesem Jahr wiederentdecken konnte.

Crooked Kingdom – Leigh Bardugo

Kann man lesen, muss man aber nicht.

Der Frauenmörder – Hugo Bettauer

Wer Agatha Christie‘s „Alibi“ mochte, wird „Der Frauenmörder“ sicherlich lieben!

Die Welt von Gestern – Stefan Zweig

Meine große Liebe!

Jugend ohne Gott – Ödön von Horvàth

Wieder einer dieser Texte, in dem es der Autor geschafft hat, eine beklemmend-faszinierende Ausweglosigkeit darzustellen.

Schachnovelle – Stefan Zweig

Zweig…haaach…

Der Idiot – Fjodor Dostojewski

Dostojewskis Beobachtungsgabe rund um das menschliche Leid und Leben (und schöne Frauen) wird in „Der Idiot“ ganz besonders bewiesen.

Kaiser und Galiläer – Henrik Ibsen

Ein düsteres „Nathan der Weise“.

Der Tintenfischer – Wolfgang Schorlau

Der Versuch Kriminalromane politisch zu gestalten geht leider oft zu Lasten des Unterhaltungswerts.

Percy Jackson „Diebe im Olymp“ – Rick Riordan

Das Ergebnis des ewigen Drängens mehrerer Freundinnen…

Ein Gentleman in Moskau – Amor Towles

Dieses Buch enthielt alles, was ich mir von einem guten historisch-politischen Roman erwartet hatte.

Madame Bovary – Gustave Flaubert

Das war bereits das dritte Mal, das ich die Bovary gelesen habe und jedes Mal entdeckte ich neue Details, die mich an Gustave Flauberts Werk begeistern.

Die App – Arno Strobel

Ein Thriller, der mich mit dem Gedanken „überarbeite deine Privatsphäre Einstellungen!!!!“ zurückgelassen hat.

Clockwork Angel – Cassandra Clare

Wenn man sich auf rund 400 Seiten über auf der Hand liegende, aber dennoch nicht genutzte Übersetzungsmöglichkeiten lustig machen möchte, ist das DER Roman! Ansonsten Papierverschwendung.

Das Böse in ihr – Camilla Way

Ein weiteres Ergebnis meiner Thriller-Phase Mitte des Jahres.

Sapiens – Yuval Noah Harari

Ein Buch, dessen Inhalte vor allem dahingehend faszinierend waren, als dass sie überraschend naheliegend waren, ohne dass man diesen Ideen bereits oft begegnet wäre.

The Seven Husband‘s of Evelyn Hugo – Taylor Jenkins Reid

In einem Zug gelesen; unmöglich abzulegen.

Ansichten eines Clowns – Heinrich Böll

s.o. in nachdenklicher.

Der Bergkristall – Adalbert Stifter

Ein stilistischer Vorgeschmack zum „Nachsommer“.

Der Nagel – Pedro Antonio de Alarcón

Wenn ich de Alarcón hier augenzwinkernd einen Schirach Vorgänger nenne, meine ich das ohne Einschränkung positiv.

Homo Deus – Yuval Noah Harari

Wer nach „Sapiens“ das Bedürfnis hat, sich noch weiter von Yuval Noah Hararis Überlegungen zum Nachdenken über die Menschheit anregen zu lassen, wird mit „Homo Deus“ wieder richtig liegen.

Letzte Einkehr – Imre Kertész

Der wunderbarste, melancholischste, beobachtendste Tagebuchroman, den ich je gelesen habe.

Der Spieler – Fjodor Dostojewski

Dostojevski einmal ganz komisch.

Dreigroschenroman – Bertolt Brecht

Der „Dreigroschenroman“ – Dreigroschenoper Pro Version

Tonio Kröger – Thomas Mann

Wenn man einmal über ein paar hundert Seiten in hanseatischen Lebensidealen schwelgen möchte…

Also sprach Zarathustra – Friedrich Nietzsche

Was soll ich sagen, es hat Spaß gemacht ihn zu lesen.

Der zerbrochene Krug – Heinrich von Kleist

Das erste Mal, dass ich Kleist auf komischere Art kennen gelernt habe.

Der Nachsommer – Adalbert Stifter

Der perfekte Roman für einen sonnigen spätsommerlichen Nachmittag und entgegen seines Rufes – jedenfalls für mich – garnicht langweilig.

Jeder Mensch – Ferdinand von Schirach

Eine Liebeserklärung an die Demokratie.

Circe – Madeline Miller

Die wunderschönste Neuinterpretation der alten Sage um Circe.

Unorthodox – Deborah Feldman

Deborah Feldmans Flucht aus ihrer chassidischen Gemeinde und den erdrückenden Erwartungen, denen sie dort über Jahre ausgesetzt war.

Hamnet – Maggie O‘Farrell

Der Tod eines Kindes; ich glaube es gibt kein anspruchsvolleres Motiv, dem sich eine Autorin widmen kann.

Villa Kérylos – Adrien Goetz

Tragische und wunderschöne Lebensaugenblicke durch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, um einen Ort der Liebe, Kunst und gebändigter Natur.

The Secret History – Donna Tart

Empfehlen muss man diese Geschichte voller Selbstironie, Narzissmus und Hedonismus wohl schon lange nicht mehr.

Die Schlange im Wolfspelz – Michael Maar

Noch nie wurde über Literatur so intelligent und humorvoll geschrieben.

Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau – Gunther Plüschow

Für mich als Liebhaber von Luftfahrtgeschichte ein autobiographisches Muss!

Twelve Angry Men – Reginald Rose

Wenn 12 Männer über das Schicksal eines Mörders abstimmen sollen, an wem hängt dann die Schuld?

Eurotrash – Christian Kracht

Ein Roman, der allem Anschein nach entweder gefeiert oder gehasst wird, ich zähle mich zu der ersten Kategorie. 

Justice: What‘s the Right Thing to Do? – Michael Sandel

Dieses Buch hat mich immer wieder dazu gebracht alles zu hinterfragen, was ich glaubte über Recht und Gerechtigkeit zu wissen.

Der Process – Franz Kafka

Ist der Rechtsstaat nicht irgendwo ein groß angelegtes Ponzi-System?

Die Würde ist antastbar – Ferdinand von Schirach

Eine Liebeserklärung an die Demokratie, er kann es einfach nicht lassen.

Underground Railroad – Colson Whitehead

„And America, too, is a delusion, the grandest one of all.“ (Colson Whitehead)

The Priory of the Orange Tree – Samantha Shannon

Ein Fantasy Roman, wie ich ihn noch nie gelesen habe; die Motive kannte man, die Umsetzung war überragend.

Die Schlange im Wolfspelz

📕 Michael Maar – Die Schlange im Wolfspelz

In „Die Schlange im Wolfspelz“ stellt Michael Maar eine Vielzahl bedeutender Werke und Autoren der deutschsprachigen Literatur der letzten Jahrhunderte und Jahrzehnte vor und nutzt diese als Beispiel und Beweis rund um die Frage „Wo beginnt eigentlich Stil und Literatur?“.


🔒 Gedanken zu diesem Werk bezüglich…

Leben & Denken:

Wer hat sich nicht schon mit dem Gedanken beschäftigt, wie Literatur von bloß Geschriebenem oder sogar schlechter Literatur abgegrenzt wird.

Ich habe immer nur – oder praktischerweise – sehr banale Antworten gefunden. Michael Maars „Die Schlange im Wolfspelz“ schafft einen so tiefgreifenden Blick in die Literaturfrage, dass diese danach nicht unbedingt schneller, aber mit qualitativ hochwertigeren Anhaltspunkten diskutiert werden kann.

Den angesprochenen Themen und dem Genre:

In den einzelnen Kapiteln trifft man immer wieder auf neue, auf bekanntere und auf weniger bekannte Autoren, jeder einzelne mit einer persönlichen Daseinsberechtigung, einer persönlichen Geschichte und einem ganz eigenen Stil.

Michael Maars Humor ist dabei eine weitere Form unglaublich guten Stils im Denken und Schreiben.


🖇 Weiteres

Autoren & Werke zu ähnlichen Thematiken

  • Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde, Klabund
  • Feuer der Freiheit: Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933-1943), Wolfram Eilenberger
  • Kulturgeschichte der Menschheit – Band 15, Will Durant & Ariel Durant

In „Die Schlange im Wolfspelz“ erwähnte Autoren und Werke, die mein Interesse weckten (Shortlist)

  • Rahel Levin
  • Marieluise Fleißer
  • Adalbert Stifter „Margarita“
  • Christine Lavant „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“

Was macht dieses Werk aus?

  • Humor, Wissen und Zeitgeist
  • Eine unendlich scheinende Recherchearbeit
  • Neue Ideen zu alten Konzepten der Literatur (siehe: die „Loriot-Probe“)

📌 Grunderkenntnisse & Ideen

  • Ein Werk lässt sich kaum, genauer gesagt gar nicht, von seinem Schaffer trennen.
  • Stil ist nicht nur ein gerne gesehener, überflüssig verschönernder, Aspekt eines Romans, sondern ein bedeutender Grundzug des Romans selbst.
  • Ein gutes literarisches Epos ist wie eine gute wissenschaftliche Arbeit, es bringt neue Erkenntnisse.
  • Schreibstil ist nicht gleich Denkstil ist nicht gleich Atmosphäre.
  • Humor wird unterschätzt, Thomas Mann auch.
  • Zuletzt: „Le style, c’est le poète même.“

📈 Lieblingszitate

„Darum ist es unsinnig, den Inhalt eines Gedichts oder Romans von seinem Stil abzulösen. Der Inhalt sei gut, vom Stil müsse man nicht sprechen – so geht das nicht in der Literatur. Es geht so wenig, wie es bei einem Musikstück ginge, von dem man sagte, bis auf die Noten sei alles prima.“

Michael Maar „Die Schlange im Wolfspelz“, S. 16

„Aber was macht ihn nun aus, den guten Stilisten? Eine mögliche Antwort wäre: Der Künstler will, wie die Wissenschaftler, die Welt nicht verlassen, ohne ihr eine winzige neue Erkenntnis mitgegeben zu haben. Und wenn keine Erkenntnis, dann eine Farbnote, eine Stimmung, irgendeinen Dreh, den es zuvor noch nicht gab.“

Michael Maar „Die Schlange im Wolfspelz“, S. 21

„Nietzsches Art der Interpunktion läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Hier schreibt ein Genie mit schwerem Aufmerksamkeitsdefizit.“

Michael Maar „Die Schlange im Wolfspelz“, S. 50

„Man müsse vom Idealismus nur ein klein wenig die Decke des Enthusiasmus heben, und es trete sein unmenschlicher Kern zutage. „Bei Schiller wird so entsetzlich leicht gestorben.““

Michael Maar „Die Schlange im Wolfspelz“, S. 176

Wieso sich Boston auch im Regen lohnt

Boston, die Stadt der so unglaublich kreativ benannten Boston Tea Party und urbaner Idealtyp Neuenglands lässt seine Besucher an jeder Ecke den so typischen „american spirit“, den Drang nach Freiheit spüren und auch wenn dieser ein allgemeines Phänomen der USA ist, so wird gerade in diesem Zusammenhang doch immer sehr der East Coast-, West Coast-Unterschied deutlich, vor allem bei einer Tour durch die großen und alten Städte der Ostküste.

Boston

Während die Westküste mit ihren endlosen Highways, schnurgerade Wüstenstraßen, unglaublich kurvigen Küstenwegen und 1950s Diners vor allem dem (gewissermaßen) modernem Wookstock Freiheitsdrang entspricht, umgibt die Ostküste, damit allen voran Boston, ein ganz anderer, reiferer Freiheitsgedanke. Die Urform dessen: Independence

Es wäre naiv zu glauben, das Wissen über den Beitrag Bostons zur Unabhängigkeitsgeschichte Amerikas sei nur wenigen Geschichtskennern vorbehalten und der Rest der Welt spaziere beim Gang durch die Stadt durch ein ihm völlig austauschbar scheinendes Häusermeer. Man ist sich dem historischen Erbe in der Stadt natürlich sehr wohl bewusst und setzt äußersten Wert drauf, dieses an jeder Straßenecke und Weggabelung aufs Neue durch ein paar hundert Jahre alte (nach amerikanischem Standard also höchst historisch, praktisch antike) Gebäude mit entsprechenden Informationstafeln oder auch dem „Freedom Trail“ medial und touristisch zu nutzen.

So ironisch Teile dieses kurzen Berichtes nun klingen vielleicht klingen mögen, es macht wirklich Spaß, an verregneten Herbstnachmittagen ausgestattet mit einem guten Regenschirm und warmen Mantel durch die Stadt zu schlendern, um einfach einmal zu sehen, wohin diese auffällig unauffälligen historischen Sehenswürdigkeiten rund um den „Freedom Trail“ führen.


Geht man die abendliche Unterhaltung in Boston ähnlich spontan an wie obiges Projekt, kann ich versprechen, dass man ebenfals auf seine Kosten kommen wird. Zwar spielt sich das Bostoner Nachtleben nicht wie in manchen legendären Metropolen auf den Straßen ab („One Night in Bangkok…“), dafür aber in den hunderten Pubs und Bars der Stadt. Dennoch ist dies eine Tatsache, die Reiseführer ablehnende, Hongkong und Bangkok verwöhnte, Spontanreisende erst einmal gelernt haben müssen.

Auch sollte man darauf vorbereitet sein, dass einige dieser Vielzahl an Pubs und Bars nicht übersichtlich auf einer Laufstrecke liegen, sondern gerade so, dass Pub A versichert sein kann, seine Stamm- und Laufkundschaft nach einer langen Nacht nicht mehr an die Konkurrenz aus Pub B verlieren zu können, denn eben diese Stammkundschaft wäre zu einem solchen Gewaltmarsch weder physisch noch mental in der Lage.

An jenem besagten regnerischen Herbstabend führte das nun also dazu, dass man anstatt des erhofften urigen Pubs am Bostoner Hafen nur einen verlassenen und einen mit geschlossener Gesellschaft vorfand. Die aus eben genannten Gründen abweichenden Öffnungszeiten waren nun aber definitiv nicht auf Google Maps, dem modernen besten Freund eines jeden Reisenden zu finden.

Kombiniert mit der mathematisch nicht belegten Tatsache, dass die Wartezeit auf Uber und Taxi Services mit schlechter werdenem Wetter exponentiell steigt hieß das Folgendes: Man hatte Zeit, sehr viel Zeit, sich mit dem ruhigen (um nicht zu sagen höchst langweilig und eintönig scheinenden) Bostoner Hafenviertel sehr genau auseinanderzusetzen. Regenschirme schützen auch nicht vor Wind und Kälte, also ging es in eine dunkle Gasse direkt am Kai, von welcher aus man die Lichter der wesentlich belebteren Stadt am anderen Ende des Hafenbeckens ein kleines bisschen neidisch beobachten konnte. Die Stimmung war einem dieser typischen Werke der Großstadtlyrik irgendwann um die Jahrhundertwende nicht unähnlich…

[…]
Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen – bunte Öle;
[…]

(Auf der Terrasse des Café Josty – Paul Boldt)

Monate später habe ich durch Zufall erfahren, dass der Platz am Hafen, an dem ich etwas unfreiweillig einen Teil meines Abends verbrachte, den ich im Zuge dessen in seiner Art aber doch auf eine Art schätzen lernte, ein beliebtes Ziel für Fotografen auf der Suche nach einem charakteristischen Boston Motiv ist. Obwohl ich nur wenig Wissen über Photographie habe muss ich sagen, ich verstehe, wie beeindruckend und schön der Blick auf die Stadt von diesem kleinen Ort aus ist.


Nicht nur im Regen und bei Nacht halte ich Boston für ein wunderschönes Reiseziel, perfekt für jeden, der den schnörkelig-historisch-modernen Ostküstenflair liebt, sondern auch ganz allgemein erlebte ich die Stadt gerade zu den unmöglichsten Zeiten als besonders beeindruckend.

Wer also kein Nachtmensch ist oder nicht lieber von Anfang an die richtigen Restaurants während ihrer tatsächlichen Öffnungszeiten besucht, dem kann ich nur ans Herz legen, einmal irgendwann zwischen 5 Uhr und 7 Uhr morges durch die Stadt zu gehen. Die meisten Geschäfte sind zu dieser Zeit zwar noch geschlossen, aber es reicht allemal um sich bequem einen Bagel und einen schwarzen Kaffee bei Starbucks zu holen und anschließend dem berühmten Boston Market noch vor dem ersten Besucherstrom beim Aufwachen und Aufbau zuzusehen.

(Von dem wunderschönen Laternenlicht auf den roten Mauern und Straßen im Morgennebel ganz zu schweigen.)

Boston und seine Straßenlaternen um 6 Uhr morgens
Boston, MA | 6 Uhr morgens

“Picnic at Hanging Rock” & Die Faszination des Unergründlichen

Picnic at Hanging Rock (1975)

Der, wie ich mir habe sagen lassen, Top Klassiker der australischen Film- und Literaturgeschichte, „Picnic at Hanging Rock“ aus dem Jahr 1975 fand am letzen Wochenende auch endlich seinen Weg auf meinen Bildschirm.

Die Handlung des Films basiert auf dem 1967 erschienenen Roman gleichen Namens von Joan Lindsay und spielt sich am Valentinstag 1900 in einem Mädcheninternat nah des australischen Busches ab. Genauer: An der berühmten Felsformation „Hanging Rock“

An eben diesem Valentinstag machen einige Schülerinnen des Internats gemeinsam mit zwei Lehrerinnen einen Ausflug zum Hanging Rock und planen dort den Nachmittag zu verbringen. Im Laufe des Tages lösen sich vier Schülerinnen vom Rest der Gruppe, um den Fels – eingenommen von dessen natürlicher Anziehungskraft – zu erkunden.

Nur eine der vier Schülerinnen wird an diesem Tag wieder zu ihrer Gruppe zurückkehren.

Picnic at Hanging Rock | Soundtrack

Eine wahre Begebenheit?

Leider, und ich bin mir durchaus bewusst wie „leider“ als Formulierung in diesem tragischen Kontext klingt, basiert „Picnic at Hanging Rock“ nicht auf einer wahren Begebenheit. Ich sage „leider“, denn im Laufe der Handlung und gerade im ersten Teil des Filmes möchte man fast schon in die dargestellte Welt um den Feld entfliehen. Das Picknick der Schülerinnen am Hanging Rock umgeben von Natur, momentaner Zeitlosigkeit und fließender Musik im Schatten des Fels ist wunderbar ästhetisch darstellt.

Der Reiz des Ganzen ist so groß, dass man das Verschwinden der Mädchen den ganzen Film über einfach nicht verstehen kann und dass selbst im Nachhinein das, was romantische Scheinwelt zu seien scheint, trotz allem an Charme, Faszination und Anziehung nicht einbüßt.

(Auch muss ich als großer Fan historischer gelöster oder ungelöster Mordfälle und Verbrechen zugeben, dass es meiner morbid-romantischen Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ einen – tja – einen aquired taste zum Beigeschack gegeben hätte, hätte ich gewusst, dass es sich bei der Handlung nicht nur um die kreative Engergie Joan Lindsays gehandelt hätte.)

„Besser als jeder Horrorfilm“

Ich fand einen Kommentar der den Übergang von der ästhetischen Picknick-Szene, über die verträumte Wanderung der Mädchen durch Hanging Rock, bis hin zu dem abrupten Verschwinden als „besser als jeder Horrorfilm“ beschrieb. Es fällt mir persönlich nicht schwer diese Einschätzung nahzuvollziehen, denn wenn ich einen Horrofilm sehe, dann mit einer gewissen Anspannung von Beginn an, doch „Picnic at Hanging Rock“ schafft es eine solche Anspannung absolut ungreifbar zu machen, während man gleichzeitig rational weiß, dass doch etwas passieren wird. Die eigene Naivität wird erscheckend sichtbar.


Das Unergründliche

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, zu versuchen, zusammenzufassen worin genau meine Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ ihren Ursprung findet: Es ist das Unergründliche.

Was geschah? Was ist Schicksal? Was ist Zeit? Was ist Tragik? Was ist Romantik? Was ist Naturgewalt? Was ist Hanging Rock?

Ich möchte an dieser Stelle einige Antwortmöglichkeiten vorstellen, auch wenn es nur grobe Versuche sind, die Unergründlichkeit von „Picture at Hanging Rock“ anzuskizzieren.

Was ist Schicksal?

Nicht alle Schülerinnen des Internats nahmen an dem Ausflug zum Hanging Rock teil, eine Schülerin, ein Waisenkind, musste zurückbleiben. Kurz vor Ende der Handlung lernt der Zuschauer ihren verloren geglaubten Bruder kennen, der an dem Nachmittag des Picknicks ebenfalls am Hanging Rock war. Die Schülerin wird ihren Bruder nie kennen lernen, denn sie starb bei einem Sturz aus einem Zimmerfenster im Internat. Die engste Freundin der verstorbenen Schülerin war eines der Mädchen, das am Fels verschwand.

Was ist Zeit?

Auf den ersten Blick wird Zeit in „Picnic at Hanging Rock“ lediglich angedeutet, denn als die Gruppe am Fels ankommt sind alle Uhren stehen geblieben. Im Zuge des Film fällt jedoch auf, dass die Zeit immer genau dann „fehlt“, wenn gerade ein bedeutender Aspekt der Handlung geschehen ist. Die verlorene Zeit wird erst dadurch ersetzt, dass es bestimmte Aspeke der vergangenen Zeit in die Gegenwart der jeweiligen Handlung geschafft haben. Ebenso wie die Figuren, sieht auch der Zuschauer die verschwundenen Mädchen nie wieder und auch das eigentliche Verschwinden wird nie gezeigt.

Erzählzeit und erzählte Zeit weichen gerade dann besonders voneinander ab, wenn man erwarten würde, dass sie jetzt doch übereinstimmen sollten, das in diesem Moment der perfekte Moment der Übereinstimmung gegeben wäre.

Die Unergründlichkeit liegt hier nicht im zeitlichen Ablauf an sich, dieser ist sogar relativ problemlos nachvollziehbar, sondern in den nie geklärten Fragen um die Momente, in denen etwas geschehen sein MUSS. Man weiß wo diese Momente zeitlich einzuordnen sind, aber der Unterschied zwischen einem greifbaren Zeitsystem (einer Art Zeitplan, den man notieren könnte) und einer Zeitgeschichte wird deutlicher denn je.

Wie ist Naturgewalt?

Der bedeutendste Aspekt, der das Unergründliche Motiv von „Picnic at Hanging Rock“ für mich besonders ausmacht ist, dass am Hanging Rock Menschen immer wieder auf unerfahrbare natürliche Erhabenheit stoßen. Ich habe noch nie einen Film gesehen, der diese Tatsache so porträtieren und auffangen konnte.

„Das Erhabene wie das Schöne ist durch die ganze Natur verschwenderisch ausgegossen, und die Empfindungsfähigkeit für beides in all Menschen gelegt; aber der Keim dazu entwickelt sich ungleich, und durch die Kunst muß ihm nachgeholfen werden.“

(Friedrich Schiller)

Darüber hinaus kann ich jedem auch nur wärmstens empfehlen einmal einen Blick auf den Soundtrack zu „Picnic at Hanging Rock“ zu werfen, das Buch zu lesen oder den Film (1975) anzusehen.

Qingdao – „China light“ und die Fliegerei

Der erste Flieger von Qingdao

In Qingdao, ehemalige Kolonie Tsingtao, geht die deutsch-chinesische Vergangenheit bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten Grundsteine des langjährigen Militarstützpunktes gelegt wurden, der zu Beginn die Sicherheit der deutschen Unternehmer in der jungen Kolonie garantieren sollte und im Laufe der Zeit und unter Verwendung sogenannter „Pachtverträge“ zu einem der wichtigsten Knotenpunkte des damaligen Deutschlands in den Osten wurde.

Über wochenlange Land- und Seewege schlugen sich Tausende in der Hoffnung nach einem neuen Anfang und wirtschaftlichem Erfolg oder aufgrund militärischer Order nach Qingdao durch und auch als sich die erste Generation Kolonisten im Osten eingelebt hatte blieben diese Handelswege von großer Bedeutung, denn der aufwändige Lebensstil wollte entsprechend versorgt werden und so schickte man munter und kompakt verpackt Möbel, Kleidung oder Rohstoffe von Deutschland nach Qingdao.

(Quelle: unsplash)

Franz Oster und seine Rumpler-Taube

An solche logistischen Dimensionen gewöhnt, wird es theoretisch kaum jemanden verwundert haben, als ein gewisser deutscher Unternehmer, der es in China zu Bekanntheit und Erfolg gebracht hatte, im Jahr 1911 eine kleine, schwachmotorige, Maschine aus den Rumplerwerken nach Qingdao verfrachten lies. Theoretisch, denn damals befand man sich an einem Punkt der Weltgeschichte, an dem Mobilität an Land, See und Luft ihren Kampf um Effizienz noch nicht ausgefochten hatten und so schickten Hobbypiloten ihre Flieger eben durchaus auch per Seeweg um die Welt.

Praktisch erregten die fliegerischen Bemühungen Franz Osters doch recht große Aufmerksamkeit. Groß genug jedenfalls, als dass man bis heute über Berichte mehrerer Zeitschriften Osters Weg zum ersten Flieger Qingdaos nachvollziehen kann.

Ob Wright und Whitehead, Deroche und Earhart oder eben Plüschow und Oster, es ist ein Phänomen der Luftfahrtgeschichte, fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass die bekanntesten Pioniere selten die ersten waren. Gunther Plüschow war Marineoffizier in Qingdao und startete ab 1914 während des Krieges und der Belagerung der Stadt diverse Aufklärungsflüge und militärische Missionen mit seiner Maschine. Er konnte während des Ersten Weltkriegs und im Zuge mehrerer Gefangenschaften in einer Odysee um die halbe Welt seinen Weg zurück nach Deutschland finden und schrieb anschließend ein autobiographisches Werk über seine Erlebnisse: „Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtao“.

Das war genug um Gunther Plüschow für viele auch zum „Ersten Flieger von Tsingtao“ zu machen, doch Fakt ist, dass er diesen Titel um einen Vorsprung von knapp einem Jahr an Franz Oster verloren hatte.

Franz Oster startete in seiner eigens verschifften Rumpler-Taube ab dem 9. Juli 1913 regelmäßig und recht erfolgreich Pionierflüge rund um Qingdao. Zwar reichten weder die lokalen Wetterverhältnisse noch die Konstruktion der damals so beliebten Rumpler-Taube für großartige Strecken – oder in den meisten Fällen mehr als einem Passagier, dem Piloten – aus, dennoch hatte Frau Oster das Glück, die erste Frau gewesen zu sein, die Qingdao jemals von oben sah.

Qingdao Heute – Zwischen Gegenwart und Vergangenheit

Heute kommt man über die Verbindung Frakfurt-Qingdao innerhab einiger Stunden per Luftlinie in die Stadt.

Als ich 2017 zum ersten Mal durch den Qingdao Liuting International Airport lief und anschließend die rund 40 Minuten Fahrt vom Flufhafen zum alten Hafen und schließlich zur wesentlich moderneren Waterfront mit Hotels, Restaurants und typischem Night Market zurücklegte musste ich an die Aussage eines befreundeten Piloten denken: „Qindao ist China light.“

Das moderne Qingdao (Quelle: unsplash)

Dieser Vergleich ist nicht vollkommen falsch, denn die chinesische Millionenstadt erlebt man – verglichen mit anderen asiatischen Metropolen – ungewöhnlich gemütlich.

Als Liebhaberin historischer Architektur ging ich schließlich einer Empfehlung nach, nach der es in einem ehemaligen Offiziersheim bei der früheren Residenz des deutschen Gouverneurs nicht nur die Möglichkeit gibt einen Einblick in Spuren der Vergangenheit zu erhalten, sondern auch die Aussicht auf guten Kaffee und Desserts. (Eine Tatsache, die ich auf der Suche nach einem Empfehlungslink bis heute nicht beweisen konnte, vielleicht also sogar ein wirklicher „Geheimtipp“).

Ich kann jedem, der gerne einen Einblick in historische Überbleibsel wirft nur empfehlen einmal etwas durch das alte Viertel Qindaos zu wandern, denn viele dieser Gebäude werden heute zwar für moderne Zwecke, wie beispielsweise Büchereien oder Kinos, verwendet können darüber hinaus aber eben auch völlig ohne Anmeldung oder Museumskarte besichtigt werden und bieten dabei immer wieder Informationen über die Vergangenheit.

Es ist wirklich überraschend zu sehen, wie sehr sich die alte Architektur in Qindao von dem modernen China unterscheidet und in einigen Teilen der Stadt könnte man auf den ersten Blick wirklich meinen, man befinde sich in einer kleinen verschlafenen europäischen Hafenstadt der frühen 1910er Jahre.


Quellen, Links und Interessante Texte:

Qingdao (Wikipedia)

Gunther Plüschow (Wikipedia)

Archivführer – Deusche Kolonialgeschichte

Franz Oster – Der erste Flieger von Tsingtao

Der erste Flieger von Tsingato: Franz Oster (1869 – 1933) – Eine biographische Skizze zusammengestellt von Wilhelm Matzat, 2009

Wilhelm Matzat (Wikipedia)

Fünf Frauen, die Luftfahrtgeschichte schrieben (Aero Telegraph)

Berühmte Fliegerinnen – Élise Léontine Deroche

Aufschwung und Absturz der „Taube“ (Deutsches Museum)

Ehemalige Residenz des Gouverneurs

Südafrika – Was ich in Kapstadt über Kultur, Geschichte & Natur gelernt habe

Wie einige vielleicht wissen, berichte ich bereits seit Jahren auf unterschiedlichen Plattformen über meine Reiseziele und heute habe ich mich dazu entschlossen, dies endlich auch auf meinem Blog fortzuführen.

Ich würde es als meine Lebensphilosophie bezeichnen, immer mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, Erlebnisse in neue Kontexte zu setzen, Details zu erkennen und Gesamtbilder zu skizzieren. Hier möchte ich genau diesem einen Platz bieten.

Ein kurzer Hintergrund zu meiner Kapstadt Geschichte: Ich habe in den letzen drei Jahren immer wieder viel Zeit in der Stadt verbracht und es gibt wohl wenige Reiseziele, die mich ähnlich tief geprägt haben wie iKapa, dabei werde ich sicherlich nicht die erste sein, die von der südafrikanischen Natur und Kunst, deren Geschichte, Entwicklung und Zukunft sich rund um die größte Stadt des Landes finden lässt, unglaublich beeindruckt zurückgelassen wurde.

Tafelberg – Blick über Kapstadt

In vergangenen Jahren wurde Kapstadt nicht nur einmal zu den besten Reisezielen der Welt gewählt und es steht fest: die Stadt bietet eine unglaubliche Vielfalt an Impressionen, die sich unmöglich in nur einem Text darstellen lassen.


Seit 2017 gibt es mit dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa (MOCAA) einen neuen Stern am Himmel der Museen zeitgenössischer Kunst. Teilweise kritisiert als „schwarzes Museum für weiße Besucher“, ein Kritikpunkt der gerade mit Blick auf die Entstehungsgeschichte in Verbindung mit der hohen kultur-touristischen Beliebtheit des Museums durchaus berechtigt ist, bietet das MOCAA einen Raum für künstlerische Aufarbeitung schwarzer Kultur, Kunst und Geschichte in Südafrika.

Zeitz Museum of Contemporary Art Africa an der V&A Waterfront

Im Februar 2018 besuchte ich zum ersten Mal eine Ausstellung im MOCAA und selbst heute, drei Jahre später, kann ich viele der dortigen Ausstellungen zu den prägendsten zählen, die ich sehen durfte.

Ist das Zeitz Museum of Contemorary Art Africa also die beste Anlaufsstelle auf der Suche nach authentischer schwarzer Kunst in Südafrika? Nicht unbedingt und nicht grundsätzlich, dennoch ist es sicherlich die beste Anlaufstelle für einen ersten Eindruck und Überblick über dieses unglaublich vielseitige Thema.

Jedes Dasein als Touristenmagnet, als offizielle Top Adresse, besteht natürlicherweise immer in einer kontinuierlich doppelten Existenz zwischen „heritage tourism“ und – im Falle des Museums – Kunst. Ist man sich dieser Doppeldeutigkeit (denn ich würde das ganze doch viel ehr als „Koexistenz“ bezeichnen, statt als „Gegenseitigkeit“) jedoch bewusst, so kann man – auch außerhalb Kapstadts – Kunst mit der jeweiligen Hintergrundrecherche, nicht nur unglaublich vielseitig, sondern auch langfristig erfahren. Verfolgt man die Wege und das Schaffen einiger Künstler, deren Werke ihren Platz in das MOCAA fanden trifft man davon ausgehend auf andere südafrikanische Künstler, auf andere schwarze Künstler, auf andere zeitgenössische Künstler und so weiter…

Darüber hinaus zeigt das MOCAA auch durch seine bloße Entstehung, wie wichtig ein fortlaufender Fokus auf schwarze und afrikanische Kunst ist, denn zum Zeitpunkt der Gründung was das MOCAA in seiner Größenordnung und seinem Zweck das erste seiner Art.

Die Architektur des MOCAA geht bis zurück in das frühe 20. Jahrhundert

Für mich gehört „More Sweetly Play the Dance“ von William Kentrige zu den beeindruckendsten Ausstellungen des MOCAA. Der südafrikanischen Künstler, der mit diesem Kunstwerk bereits Kunstinteressierte auf der ganzen Welt bewegte, erlebte die Politik Südafrikas im 20. Jahrhundert hautnah mit, sein Schafffen greift Themen auf, wie Gesellschaft und Leben am Rand der Gesellschaft..

Um der Atmosphäre von „More Sweetly Play the Dance“ gerecht zu werden, besitze ich selbst weder das nötige künsterische Vokabular, noch die umfassenden Kenntnisse und so ist an dieser Stelle Platz für zwei Leseempfehlungen, dem „Artforum“ und „The Paris Review“ die sich diesem Werk gewidmet haben.

Wollt ihr euch ausgehend davon selbst mit William Kentriges Werk befassen, findet ihr auf YouTube einen sehr guten Mitschnitt:


Nun ist Kapstadt natürlich nicht nur für seine Kunst und Südafrika nicht nur für seine Künstler bekannt und so waren es auch bei mir nicht nur diese, die mich geprägt haben, denn gerade die Naturschauspiele rund um die Stadt haben mich mit bewunderndem Blick auf Geographie und Biodiversität zurückgelassen .

Delaire Graff Estate

Als touristische Stadt lebt Kapstadt in dem ständigen Hin und Her zwischen Leben durch den Tourismus und Leiden durch den Tourismus. Ein nicht unbekannter Balanceakt.

Die Biodiversität ist wohl das größte Gut der Stadt und ihrer Region, sodass sowohl Nutzen, als auch Schutz dessen Potentials, auf der südafrikanischen Agenda weit oben stehen. Eine Vielzahl an Organisationen, wie beispielsweise CapeNature, haben sich auf den Schutz des Western Cape, der Provinz Kapstadts, spezialisiert und stellen – als kleine Information am Rande für diejenigen, die mehr darüber erfahren möchten – auch online Informationen rund um den Schutz und die Bedeutung der Biodiversität im Westkap zur Verfügung. Ich kann jedem nur empfehlen, einen Blick auf diese Dokumente und Beiträge zu werfen.

Tatsächlich kann man, mit einem Blick auf globale Biodiversität, von Kapstadt als der vielfältigsten Region der Welt sprechen. (Wie sich auf dieser Karte gut erkennen lässt: http://www.botgart.uni-bonn.de/o_frei/syskart.php)

Die Bedeutung des Schutzes dieser breitgefächerten südafrikanischen Natur wird immer wieder besonders unterstrichen, unter anderem auch in offiziellen Dokumenten, wie der „Game Translocation and Utilisation Policy for the Western Cape Province“ des „Western Cape Nature Conservation Board“, in der schon zu Beginn ein besonderer Fokus auf die „[…] biodiversity “hotspots“, that is, places or regions with exceptionally high levels of biodiversity, but where environmental pressure on biodiversity is very high.“ gelegt wird. (Quelle: https://www.capenature.co.za/wp-content/uploads/2013/11/Game-Translocation-Policy1.pdf)

Es ist unglaublich interessant zu sehen, welche Strategien entwickelt werden um einen so einzigartigen geographischen Punk der Erde in seiner Einzigartigkeit zu schützen, zu nutzen und aufrechtzuerhalten.



Meine Quellen und einige interessante Artikel: