“Picnic at Hanging Rock” & Die Faszination des Unergründlichen

Picnic at Hanging Rock (1975)

Der, wie ich mir habe sagen lassen, Top Klassiker der australischen Film- und Literaturgeschichte, „Picnic at Hanging Rock“ aus dem Jahr 1975 fand am letzen Wochenende auch endlich seinen Weg auf meinen Bildschirm.

Die Handlung des Films basiert auf dem 1967 erschienenen Roman gleichen Namens von Joan Lindsay und spielt sich am Valentinstag 1900 in einem Mädcheninternat nah des australischen Busches ab. Genauer: An der berühmten Felsformation „Hanging Rock“

An eben diesem Valentinstag machen einige Schülerinnen des Internats gemeinsam mit zwei Lehrerinnen einen Ausflug zum Hanging Rock und planen dort den Nachmittag zu verbringen. Im Laufe des Tages lösen sich vier Schülerinnen vom Rest der Gruppe, um den Fels – eingenommen von dessen natürlicher Anziehungskraft – zu erkunden.

Nur eine der vier Schülerinnen wird an diesem Tag wieder zu ihrer Gruppe zurückkehren.

Picnic at Hanging Rock | Soundtrack

Eine wahre Begebenheit?

Leider, und ich bin mir durchaus bewusst wie „leider“ als Formulierung in diesem tragischen Kontext klingt, basiert „Picnic at Hanging Rock“ nicht auf einer wahren Begebenheit. Ich sage „leider“, denn im Laufe der Handlung und gerade im ersten Teil des Filmes möchte man fast schon in die dargestellte Welt um den Feld entfliehen. Das Picknick der Schülerinnen am Hanging Rock umgeben von Natur, momentaner Zeitlosigkeit und fließender Musik im Schatten des Fels ist wunderbar darstellt.

Der Reiz des Ganzen ist so groß, dass man das Verschwinden der Mädchen den ganzen Film über einfach nicht verstehen kann und dass selbst im Nachhinein das, was romantische Scheinwelt zu seien scheint, trotz allem an Charme, Faszination und Anziehung nicht einbüßt.

(Auch muss ich als großer Fan historischer gelöster oder ungelöster Mordfälle und Verbrechen zugeben, dass es meiner morbid-romantischen Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ einen – tja – einen aquired taste zum Beigeschack gegeben hätte, hätte ich gewusst, dass es sich bei der Handlung nicht nur um die kreative Energie Joan Lindsays gehandelt hätte.)

„Besser als jeder Horrorfilm“

Ich fand einen Kommentar der den Übergang von der Picknick-Szene, über die verträumte Wanderung der Mädchen durch Hanging Rock, bis hin zu dem abrupten Verschwinden als „besser als jeder Horrorfilm“ beschrieb. Es fällt mir persönlich nicht schwer diese Einschätzung nahzuvollziehen, denn wenn ich einen Horrofilm sehe, dann mit einer gewissen Anspannung von Beginn an, doch „Picnic at Hanging Rock“ schafft es eine solche Anspannung absolut ungreifbar zu machen, während man gleichzeitig rational weiß, dass doch etwas passieren wird. Die eigene Naivität wird erscheckend sichtbar.


Das Unergründliche

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, zu versuchen, zusammenzufassen worin genau meine Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ ihren Ursprung findet: Es ist das Unergründliche.

Was geschah? Was ist Schicksal? Was ist Zeit? Was ist Tragik? Was ist Romantik? Was ist Naturgewalt? Was ist Hanging Rock?

Ich möchte an dieser Stelle einige Antwortmöglichkeiten vorstellen, auch wenn es nur grobe Versuche sind, die Unergründlichkeit von „Picture at Hanging Rock“ anzuskizzieren.

Was ist Zeit?

Auf den ersten Blick wird Zeit in „Picnic at Hanging Rock“ lediglich angedeutet, denn als die Gruppe am Fels ankommt sind alle Uhren stehen geblieben. Im Zuge des Film fällt jedoch auf, dass die Zeit immer genau dann „fehlt“, wenn gerade ein bedeutender Aspekt der Handlung geschehen ist. Die verlorene Zeit wird erst dadurch ersetzt, dass es bestimmte Aspeke der vergangenen Zeit in die Gegenwart der jeweiligen Handlung geschafft haben. Ebenso wie die Figuren, sieht auch der Zuschauer die verschwundenen Mädchen nie wieder und auch das eigentliche Verschwinden wird nie gezeigt.

Erzählzeit und erzählte Zeit weichen gerade dann besonders voneinander ab, wenn man erwarten würde, dass in diesem Moment der perfekte Moment der Übereinstimmung gegeben wäre.

Die Unergründlichkeit liegt hier nicht im zeitlichen Ablauf an sich, dieser ist sogar relativ problemlos nachvollziehbar, sondern in den nie geklärten Fragen um die Momente, in denen etwas geschehen sein MUSS. Man weiß wo diese Momente zeitlich einzuordnen sind, aber der Unterschied zwischen einem greifbaren Zeitsystem (einer Art Zeitplan, den man notieren könnte) und einer Zeitgeschichte wird deutlicher denn je.

Wie ist Naturgewalt?

Der bedeutendste Aspekt, der das Unergründliche Motiv von „Picnic at Hanging Rock“ für mich besonders ausmacht ist, dass am Hanging Rock Menschen immer wieder auf unerfahrbare natürliche Erhabenheit stoßen. Ich habe noch nie einen Film gesehen, der diese Tatsache so porträtieren und auffangen konnte.

„Das Erhabene wie das Schöne ist durch die ganze Natur verschwenderisch ausgegossen, und die Empfindungsfähigkeit für beides in all Menschen gelegt; aber der Keim dazu entwickelt sich ungleich, und durch die Kunst muß ihm nachgeholfen werden.“

(Friedrich Schiller)

Darüber hinaus kann ich jedem auch nur wärmstens empfehlen einmal einen Blick auf den Soundtrack zu „Picnic at Hanging Rock“ zu werfen, das Buch zu lesen oder den Film (1975) anzusehen.

Qingdao – „China light“ und die Fliegerei

Der erste Flieger von Qingdao

In Qingdao, ehemalige Kolonie Tsingtao, geht die deutsch-chinesische Vergangenheit bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten Grundsteine des langjährigen Militarstützpunktes gelegt wurden, der zu Beginn die Sicherheit der deutschen Unternehmer in der jungen Kolonie garantieren sollte und im Laufe der Zeit und unter Verwendung sogenannter „Pachtverträge“ zu einem der wichtigsten Knotenpunkte des damaligen Deutschlands in den Osten wurde.

Über wochenlange Land- und Seewege schlugen sich Tausende in der Hoffnung nach einem neuen Anfang und wirtschaftlichem Erfolg oder aufgrund militärischer Order nach Qingdao durch und auch als sich die erste Generation Kolonisten im Osten eingelebt hatte blieben diese Handelswege von großer Bedeutung, denn der aufwändige Lebensstil wollte entsprechend versorgt werden und so schickte man munter und kompakt verpackt Möbel, Kleidung oder Rohstoffe von Deutschland nach Qingdao.

Ein Dampfer vor Qingdao

Franz Oster und seine Rumpler-Taube

An solche logistischen Dimensionen gewöhnt, wird es theoretisch kaum jemanden verwundert haben, als ein gewisser deutscher Unternehmer, der es in China zu Bekanntheit und Erfolg gebracht hatte, im Jahr 1911 eine kleine, schwachmotorige, Maschine aus den Rumplerwerken nach Qingdao verfrachten lies. Theoretisch, denn damals befand man sich an einem Punkt der Weltgeschichte, an dem Mobilität an Land, See und Luft ihren Kampf um Effizienz noch nicht ausgefochten hatten und so schickten Hobbypiloten ihre Flieger eben durchaus auch per Seeweg um die Welt.

Praktisch erregten die fliegerischen Bemühungen Franz Osters doch recht große Aufmerksamkeit. Groß genug jedenfalls, als dass man bis heute über Berichte mehrerer Zeitschriften Osters Weg zum ersten Flieger Qingdaos nachvollziehen kann.

Ob Wright und Whitehead, Deroche und Earhart oder eben Plüschow und Oster, es ist ein Phänomen der Luftfahrtgeschichte, fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass die bekanntesten Pioniere selten die ersten waren. Gunther Plüschow war Marineoffizier in Qingdao und startete ab 1914 während des Krieges und der Belagerung der Stadt diverse Aufklärungsflüge und militärische Missionen mit seiner Maschine. Er konnte während des Ersten Weltkriegs und im Zuge mehrerer Gefangenschaften in einer Odysee um die halbe Welt seinen Weg zurück nach Deutschland finden und schrieb anschließend ein autobiographisches Werk über seine Erlebnisse: „Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtao“.

Das war genug um Gunther Plüschow für viele auch zum „Ersten Flieger von Tsingtao“ zu machen, doch Fakt ist, dass er diesen Titel um einen Vorsprung von knapp einem Jahr an Franz Oster verloren hatte.

Franz Oster startete in seiner eigens verschifften Rumpler-Taube ab dem 9. Juli 1913 regelmäßig und recht erfolgreich Pionierflüge rund um Qingdao. Zwar reichten weder die lokalen Wetterverhältnisse noch die Konstruktion der damals so beliebten Rumpler-Taube für großartige Strecken – oder in den meisten Fällen mehr als einem Passagier, dem Piloten – aus, dennoch hatte Frau Oster das Glück, die erste Frau gewesen zu sein, die Qingdao jemals von oben sah.

Qingdao Heute – Zwischen Gegenwart und Vergangenheit

Heute kommt man über die Verbindung Frakfurt-Qingdao innerhab einiger Stunden per Luftlinie in die Stadt.

Als ich 2017 zum ersten Mal durch den Qingdao Liuting International Airport lief und anschließend die rund 40 Minuten Fahrt vom Flufhafen zum alten Hafen und schließlich zur wesentlich moderneren Waterfront mit Hotels, Restaurants und typischem Night Market zurücklegte musste ich an die Aussage eines befreundeten Piloten denken: „Qindao ist China light.“

Das moderne Qingdao

Dieser Vergleich ist nicht vollkommen falsch, denn die chinesische Millionenstadt erlebt man – verglichen mit anderen asiatischen Metropolen – ungewöhnlich gemütlich.

Als Liebhaberin historischer Architektur ging ich schließlich einer Empfehlung nach, nach der es in einem ehemaligen Offiziersheim bei der früheren Residenz des deutschen Gouverneurs nicht nur die Möglichkeit gibt einen Einblick in Spuren der Vergangenheit zu erhalten, sondern auch die Aussicht auf guten Kaffee und Desserts. (Eine Tatsache, die ich auf der Suche nach einem Empfehlungslink bis heute nicht beweisen konnte, vielleicht also sogar ein wirklicher „Geheimtipp“).

Ich kann jedem, der gerne einen Einblick in historische Überbleibsel wirft nur empfehlen einmal etwas durch das alte Viertel Qindaos zu wandern, denn viele dieser Gebäude werden heute zwar für moderne Zwecke, wie beispielsweise Büchereien oder Kinos, verwendet können darüber hinaus aber eben auch völlig ohne Anmeldung oder Museumskarte besichtigt werden und bieten dabei immer wieder Informationen über die Vergangenheit.

Es ist wirklich überraschend zu sehen, wie sehr sich die alte Architektur in Qindao von dem modernen China unterscheidet und in einigen Teilen der Stadt könnte man auf den ersten Blick wirklich meinen, man befinde sich in einer kleinen verschlafenen europäischen Hafenstadt der frühen 1910er Jahre.


Quellen, Links und Interessante Texte:

Qingdao (Wikipedia)

Gunther Plüschow (Wikipedia)

Archivführer – Deusche Kolonialgeschichte

Franz Oster – Der erste Flieger von Tsingtao

Der erste Flieger von Tsingato: Franz Oster (1869 – 1933) – Eine biographische Skizze zusammengestellt von Wilhelm Matzat, 2009

Wilhelm Matzat (Wikipedia)

Fünf Frauen, die Luftfahrtgeschichte schrieben (Aero Telegraph)

Berühmte Fliegerinnen – Élise Léontine Deroche

Aufschwung und Absturz der „Taube“ (Deutsches Museum)

Ehemalige Residenz des Gouverneurs