Literarischer Jahresrückblick 2021 – Best Of

Texte aller Art, die mich 2021 begleitet und auf unterschiedlichste Weise fasziniert haben. 

Ruth Bader Ginsburg – Helena Hunt 

Einführung in das Recht – Reinhold Zippelius

Die Bibel

Writers of the Philokalia – Marilynn Hughes

Grundlinien der Philosophie des Rechts – G. W. F. Hegel

Leseinspiration: eine Flohmarkt-Kiste am Straßenrand.

Ordeal by Innocence – Agatha Christie

Krieg und Frieden – Lew N. Tolstoi

Ein Monumentalwerk, perfekt für verschneite Winterabende (Plural!).

Goethe – Rüdiger Safranski

Vorlesungen über Ästhetik – G. W. F. Hegel

Ein Werk, das jeder lesen sollte, der mit „aesthetic“ als Schlagwort herumhantiert.

Der Graf von Monte Christo – Alexandre Dumas

Vatermax – Götz Liedtke

Chronik des Cthulhu-Mythos I – H. P. Lovecraft

Erzählungen ab 1919: Der Mensch hatte schon immer Spaß am Gruseln.

Mephisto – Klaus Mann

Feuer der Freiheit – Wolfram Eilenberger

Hannah Arendt in Topform!

Frau Jenny Treibel – Theodor Fontane

Der bewachte Kriegsschauplatz – Kurt Tucholsky

Schon aufgrund des vielzitierten „Soldaten sind Mörder“ ein paar Minuten der eigenen Zeit wert.

Kurt Tucholsky Gesammelte Werke – Kurt Tucholsky

Folge des bewachten Kriegsschauplatzes.

Le deuxième sexe I – Simone de Beauvoir

9 1/2 perfekte Morde – Alexander Stevens

Strafe – Ferdinand von Schirach

Verbrechen – Ferdinand von Schirach

Die verlorene Ehre der Katharina Blum – Heinrich Böll

Kim Jiyoung, geboren 1982 – Cho Nam-Joo

La chaleur de la raison – Ferdinand von Schirach & Alexander Kluge

Geschichten aus dem Wiener Wald – Ödön von Horváth

Die rechtschaffenen Mörder – Ingo Schulze

Der Fremde – Albert Camus

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde I – Karl Popper

Schon die Arbeit hinter dieser gesellschaftstheoretischen Meisterleistung ist ausnahmslos bewundernswert.

Wallenstein – Friedrich Schiller

Die 120 Tage von Sodom – Donatien Alphonse François de Sade

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull – Thomas Mann

Die Venus im Pelz – Leopold von Sacher-Masoch

Der Stechlin – Theodor Fontane

Die offene Gesellschaft und ihre Feinde II – Karl Popper

Candide ou l‘optimisme – Voltaire

Die Dreigroschenoper – Bertold Brecht

Der Großinquisitor – Fjodor M. Dostojewski

Die Welt von Gestern – Stefan Zweig

Jugend ohne Gott – Ödön von Horvàth

Schachnovelle – Stefan Zweig

Der Idiot – Fjodor Dostojewski

Kaiser und Galiläer – Henrik Ibsen

Ein Gentleman in Moskau – Amor Towles

Madame Bovary – Gustave Flaubert

Sapiens – Yuval Noah Harari

The Seven Husband‘s of Evelyn Hugo – Taylor Jenkins Reid

Ansichten eines Clowns – Heinrich Böll

Der Bergkristall – Adalbert Stifter

Homo Deus – Yuval Noah Harari

Letzte Einkehr – Imre Kertész

Der wunderbarste, traurigste, erbauendste Tagebuchroman, den ich je gelesen habe.

Der Spieler – Fjodor Dostojewski

Tonio Kröger – Thomas Mann

Also sprach Zarathustra – Friedrich Nietzsche

Der zerbrochene Krug – Heinrich von Kleist

Der Nachsommer – Adalbert Stifter

Jeder Mensch – Ferdinand von Schirach

Circe – Madeline Miller

Unorthodox – Deborah Feldman

Hamnet – Maggie O‘Farrell

Villa Kérylos – Adrien Goetz

Lebensaugenblicke in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts; um einen Ort der Liebe, Kunst und gebändigter Natur.

The Secret History – Donna Tart

Die Schlange im Wolfspelz – Michael Maar

Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtau – Gunther Plüschow

Für Liebhaber der Luftfahrtgeschichte ein autobiographisches Muss!

Twelve Angry Men – Reginald Rose

Eurotrash – Christian Kracht

Justice: What‘s the Right Thing to Do? – Michael Sandel

Der Process – Franz Kafka

Die Würde ist antastbar – Ferdinand von Schirach

Underground Railroad – Colson Whitehead

„And America, too, is a delusion, the grandest one of all.“ (Colson Whitehead)

The Priory of the Orange Tree – Samantha Shannon

Wieso sich Boston auch im Regen lohnt

Boston, die Stadt der so kreativ benannten Boston Tea Party und urbaner Idealtyp Neuenglands lässt seine Besucher an jeder Ecke den „american spirit“, den Drang nach Freiheit spüren. Und auch wenn dieser ein allgemeines Phänomen der USA ist, so wird gerade in diesem Zusammenhang doch immer sehr der East Coast-, West Coast-Unterschied deutlich, vor allem bei einer Tour durch die großen und alten Städte der Ostküste.

Boston

Während die Westküste mit ihren endlosen Highways, schnurgerade Wüstenstraßen, kurvigen Küstenwegen und 1950s Diners vor allem dem (gewissermaßen) modernem Wookstock Freiheitsdrang entspricht, umgibt die Ostküste, damit allen voran Boston, ein ganz anderer, reiferer Freiheitsgedanke. Die Urform dessen: Independence

Es macht Spaß, an verregneten Herbstnachmittagen ausgestattet mit einem guten Regenschirm und warmen Mantel, Reiseführer links liegen zu lassen und einfach dem „Freedom Trail“ zu folgen.


Geht man die abendliche Unterhaltung in Boston ähnlich spontan an wie obiges Projekt, kann ich versprechen, dass man ebenfals auf seine Kosten kommen wird. Zwar spielt sich das Bostoner Nachtleben nicht wie in manchen legendären Metropolen auf den Straßen ab („One Night in Bangkok…“), dafür aber in den hunderten Pubs und Bars der Stadt. Dennoch ist dies eine Tatsache, die Reiseführer ablehnende, Hongkong und Bangkok verwöhnte, Spontanreisende erst einmal gelernt haben müssen.

Auch sollte man darauf vorbereitet sein, dass die Vielzahl an Pubs und Bars nicht übersichtlich auf einer Laufstrecke liegt, sondern gerade so, dass der eine versichert sein kann, seine Stamm- und Laufkundschaft nach einer langen Nacht nicht mehr an die Konkurrenz verlieren zu können. Wobei diese Stammkundschaft zu einem nächtlichen Gewaltmarsch weder physisch noch mental in der Lage wäre.

An jenem besagten regnerischen Herbstabend führte das nun also dazu, dass man anstatt der erhofften urigen Pubs am Bostoner Hafen nur einen verlassenen und einen mit geschlossener Gesellschaft vorfand. Die abweichenden Öffnungszeiten waren nun aber definitiv nicht auf Google Maps, dem modernen besten Freund eines jeden Reisenden, zu finden.

Kombiniert mit der statistisch nicht belegten Tatsache, dass die Wartezeit auf Uber und Taxi Services mit schlechter werdenem Wetter exponentiell steigt hieß das Folgendes: Man hatte Zeit, sehr viel Zeit, sich mit dem ruhigen (um nicht zu sagen höchst langweilig und eintönig scheinenden) Bostoner Hafenviertel genau auseinanderzusetzen. Regenschirme schützen auch nicht vor Wind und Kälte, also ging es in eine dunkle Gasse direkt am Kai, von welcher aus man die Lichter der wesentlich belebteren Stadt am anderen Ende des Hafenbeckens ein kleines bisschen neidisch beobachten konnte. Die Stimmung war einem dieser typischen Werke der Großstadtlyrik irgendwann um die Jahrhundertwende nicht unähnlich…

[…]
Nachtregen hüllt den Platz in eine Höhle,
Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen
Und lila Quallen liegen – bunte Öle;
[…]

(Auf der Terrasse des Café Josty – Paul Boldt)

Monate später habe ich durch Zufall erfahren, dass der Platz am Hafen, an dem ich etwas unfreiweillig einen Teil meines Abends verbrachte, ein beliebtes Ziel für Fotografen auf der Suche nach einem charakteristischen Boston Motiv ist.


Nicht nur im Regen und bei Nacht halte ich Boston für ein wunderschönes Reiseziel, perfekt für jeden, der den schnörkelig-historisch-modernen Ostküstenflair liebt, sondern auch ganz allgemein erlebte ich die Stadt gerade zu den unmöglichsten Zeiten als besonders beeindruckend.

Wer also kein Nachtmensch ist oder nicht lieber von Anfang an die richtigen Restaurants während ihrer tatsächlichen Öffnungszeiten besucht, dem kann ich nur ans Herz legen, einmal irgendwann zwischen 5 Uhr und 7 Uhr morges durch die Stadt zu gehen. Die meisten Geschäfte sind zu dieser Zeit geschlossen, aber es reicht allemal um sich bequem Bagel und Kaffee bei Starbucks zu holen und anschließend dem berühmten Boston Market noch vor dem ersten Besucherstrom beim Aufwachen und Aufbau zuzusehen.

(Von dem wunderschönen Laternenlicht auf den roten Mauern und Straßen im Morgennebel ganz zu schweigen.)

Boston und seine Straßenlaternen um 6 Uhr morgens
Boston, MA | 6 Uhr morgens

“Picnic at Hanging Rock” & Die Faszination des Unergründlichen

Picnic at Hanging Rock (1975)

Der, wie ich mir habe sagen lassen, Top Klassiker der australischen Film- und Literaturgeschichte, „Picnic at Hanging Rock“ aus dem Jahr 1975 fand am letzen Wochenende auch endlich seinen Weg auf meinen Bildschirm.

Die Handlung des Films basiert auf dem 1967 erschienenen Roman gleichen Namens von Joan Lindsay und spielt sich am Valentinstag 1900 in einem Mädcheninternat nah des australischen Busches ab. Genauer: An der berühmten Felsformation „Hanging Rock“

An eben diesem Valentinstag machen einige Schülerinnen des Internats gemeinsam mit zwei Lehrerinnen einen Ausflug zum Hanging Rock und planen dort den Nachmittag zu verbringen. Im Laufe des Tages lösen sich vier Schülerinnen vom Rest der Gruppe, um den Fels – eingenommen von dessen natürlicher Anziehungskraft – zu erkunden.

Nur eine der vier Schülerinnen wird an diesem Tag wieder zu ihrer Gruppe zurückkehren.

Picnic at Hanging Rock | Soundtrack

Eine wahre Begebenheit?

Leider, und ich bin mir durchaus bewusst wie „leider“ als Formulierung in diesem tragischen Kontext klingt, basiert „Picnic at Hanging Rock“ nicht auf einer wahren Begebenheit. Ich sage „leider“, denn im Laufe der Handlung und gerade im ersten Teil des Filmes möchte man fast schon in die dargestellte Welt um den Feld entfliehen. Das Picknick der Schülerinnen am Hanging Rock umgeben von Natur, momentaner Zeitlosigkeit und fließender Musik im Schatten des Fels ist wunderbar darstellt.

Der Reiz des Ganzen ist so groß, dass man das Verschwinden der Mädchen den ganzen Film über einfach nicht verstehen kann und dass selbst im Nachhinein das, was romantische Scheinwelt zu seien scheint, trotz allem an Charme, Faszination und Anziehung nicht einbüßt.

(Auch muss ich als großer Fan historischer gelöster oder ungelöster Mordfälle und Verbrechen zugeben, dass es meiner morbid-romantischen Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ einen – tja – einen aquired taste zum Beigeschack gegeben hätte, hätte ich gewusst, dass es sich bei der Handlung nicht nur um die kreative Energie Joan Lindsays gehandelt hätte.)

„Besser als jeder Horrorfilm“

Ich fand einen Kommentar der den Übergang von der Picknick-Szene, über die verträumte Wanderung der Mädchen durch Hanging Rock, bis hin zu dem abrupten Verschwinden als „besser als jeder Horrorfilm“ beschrieb. Es fällt mir persönlich nicht schwer diese Einschätzung nahzuvollziehen, denn wenn ich einen Horrofilm sehe, dann mit einer gewissen Anspannung von Beginn an, doch „Picnic at Hanging Rock“ schafft es eine solche Anspannung absolut ungreifbar zu machen, während man gleichzeitig rational weiß, dass doch etwas passieren wird. Die eigene Naivität wird erscheckend sichtbar.


Das Unergründliche

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, zu versuchen, zusammenzufassen worin genau meine Faszination mit „Picnic at Hanging Rock“ ihren Ursprung findet: Es ist das Unergründliche.

Was geschah? Was ist Schicksal? Was ist Zeit? Was ist Tragik? Was ist Romantik? Was ist Naturgewalt? Was ist Hanging Rock?

Ich möchte an dieser Stelle einige Antwortmöglichkeiten vorstellen, auch wenn es nur grobe Versuche sind, die Unergründlichkeit von „Picture at Hanging Rock“ anzuskizzieren.

Was ist Zeit?

Auf den ersten Blick wird Zeit in „Picnic at Hanging Rock“ lediglich angedeutet, denn als die Gruppe am Fels ankommt sind alle Uhren stehen geblieben. Im Zuge des Film fällt jedoch auf, dass die Zeit immer genau dann „fehlt“, wenn gerade ein bedeutender Aspekt der Handlung geschehen ist. Die verlorene Zeit wird erst dadurch ersetzt, dass es bestimmte Aspeke der vergangenen Zeit in die Gegenwart der jeweiligen Handlung geschafft haben. Ebenso wie die Figuren, sieht auch der Zuschauer die verschwundenen Mädchen nie wieder und auch das eigentliche Verschwinden wird nie gezeigt.

Erzählzeit und erzählte Zeit weichen gerade dann besonders voneinander ab, wenn man erwarten würde, dass in diesem Moment der perfekte Moment der Übereinstimmung gegeben wäre.

Die Unergründlichkeit liegt hier nicht im zeitlichen Ablauf an sich, dieser ist sogar relativ problemlos nachvollziehbar, sondern in den nie geklärten Fragen um die Momente, in denen etwas geschehen sein MUSS. Man weiß wo diese Momente zeitlich einzuordnen sind, aber der Unterschied zwischen einem greifbaren Zeitsystem (einer Art Zeitplan, den man notieren könnte) und einer Zeitgeschichte wird deutlicher denn je.

Wie ist Naturgewalt?

Der bedeutendste Aspekt, der das Unergründliche Motiv von „Picnic at Hanging Rock“ für mich besonders ausmacht ist, dass am Hanging Rock Menschen immer wieder auf unerfahrbare natürliche Erhabenheit stoßen. Ich habe noch nie einen Film gesehen, der diese Tatsache so porträtieren und auffangen konnte.

„Das Erhabene wie das Schöne ist durch die ganze Natur verschwenderisch ausgegossen, und die Empfindungsfähigkeit für beides in all Menschen gelegt; aber der Keim dazu entwickelt sich ungleich, und durch die Kunst muß ihm nachgeholfen werden.“

(Friedrich Schiller)

Darüber hinaus kann ich jedem auch nur wärmstens empfehlen einmal einen Blick auf den Soundtrack zu „Picnic at Hanging Rock“ zu werfen, das Buch zu lesen oder den Film (1975) anzusehen.

Qingdao – „China light“ und die Fliegerei

Der erste Flieger von Qingdao

In Qingdao, ehemalige Kolonie Tsingtao, geht die deutsch-chinesische Vergangenheit bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten Grundsteine des langjährigen Militarstützpunktes gelegt wurden, der zu Beginn die Sicherheit der deutschen Unternehmer in der jungen Kolonie garantieren sollte und im Laufe der Zeit und unter Verwendung sogenannter „Pachtverträge“ zu einem der wichtigsten Knotenpunkte des damaligen Deutschlands in den Osten wurde.

Über wochenlange Land- und Seewege schlugen sich Tausende in der Hoffnung nach einem neuen Anfang und wirtschaftlichem Erfolg oder aufgrund militärischer Order nach Qingdao durch und auch als sich die erste Generation Kolonisten im Osten eingelebt hatte blieben diese Handelswege von großer Bedeutung, denn der aufwändige Lebensstil wollte entsprechend versorgt werden und so schickte man munter und kompakt verpackt Möbel, Kleidung oder Rohstoffe von Deutschland nach Qingdao.

Ein Dampfer vor Qingdao

Franz Oster und seine Rumpler-Taube

An solche logistischen Dimensionen gewöhnt, wird es theoretisch kaum jemanden verwundert haben, als ein gewisser deutscher Unternehmer, der es in China zu Bekanntheit und Erfolg gebracht hatte, im Jahr 1911 eine kleine, schwachmotorige, Maschine aus den Rumplerwerken nach Qingdao verfrachten lies. Theoretisch, denn damals befand man sich an einem Punkt der Weltgeschichte, an dem Mobilität an Land, See und Luft ihren Kampf um Effizienz noch nicht ausgefochten hatten und so schickten Hobbypiloten ihre Flieger eben durchaus auch per Seeweg um die Welt.

Praktisch erregten die fliegerischen Bemühungen Franz Osters doch recht große Aufmerksamkeit. Groß genug jedenfalls, als dass man bis heute über Berichte mehrerer Zeitschriften Osters Weg zum ersten Flieger Qingdaos nachvollziehen kann.

Ob Wright und Whitehead, Deroche und Earhart oder eben Plüschow und Oster, es ist ein Phänomen der Luftfahrtgeschichte, fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass die bekanntesten Pioniere selten die ersten waren. Gunther Plüschow war Marineoffizier in Qingdao und startete ab 1914 während des Krieges und der Belagerung der Stadt diverse Aufklärungsflüge und militärische Missionen mit seiner Maschine. Er konnte während des Ersten Weltkriegs und im Zuge mehrerer Gefangenschaften in einer Odysee um die halbe Welt seinen Weg zurück nach Deutschland finden und schrieb anschließend ein autobiographisches Werk über seine Erlebnisse: „Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtao“.

Das war genug um Gunther Plüschow für viele auch zum „Ersten Flieger von Tsingtao“ zu machen, doch Fakt ist, dass er diesen Titel um einen Vorsprung von knapp einem Jahr an Franz Oster verloren hatte.

Franz Oster startete in seiner eigens verschifften Rumpler-Taube ab dem 9. Juli 1913 regelmäßig und recht erfolgreich Pionierflüge rund um Qingdao. Zwar reichten weder die lokalen Wetterverhältnisse noch die Konstruktion der damals so beliebten Rumpler-Taube für großartige Strecken – oder in den meisten Fällen mehr als einem Passagier, dem Piloten – aus, dennoch hatte Frau Oster das Glück, die erste Frau gewesen zu sein, die Qingdao jemals von oben sah.

Qingdao Heute – Zwischen Gegenwart und Vergangenheit

Heute kommt man über die Verbindung Frakfurt-Qingdao innerhab einiger Stunden per Luftlinie in die Stadt.

Als ich 2017 zum ersten Mal durch den Qingdao Liuting International Airport lief und anschließend die rund 40 Minuten Fahrt vom Flufhafen zum alten Hafen und schließlich zur wesentlich moderneren Waterfront mit Hotels, Restaurants und typischem Night Market zurücklegte musste ich an die Aussage eines befreundeten Piloten denken: „Qindao ist China light.“

Das moderne Qingdao

Dieser Vergleich ist nicht vollkommen falsch, denn die chinesische Millionenstadt erlebt man – verglichen mit anderen asiatischen Metropolen – ungewöhnlich gemütlich.

Als Liebhaberin historischer Architektur ging ich schließlich einer Empfehlung nach, nach der es in einem ehemaligen Offiziersheim bei der früheren Residenz des deutschen Gouverneurs nicht nur die Möglichkeit gibt einen Einblick in Spuren der Vergangenheit zu erhalten, sondern auch die Aussicht auf guten Kaffee und Desserts. (Eine Tatsache, die ich auf der Suche nach einem Empfehlungslink bis heute nicht beweisen konnte, vielleicht also sogar ein wirklicher „Geheimtipp“).

Ich kann jedem, der gerne einen Einblick in historische Überbleibsel wirft nur empfehlen einmal etwas durch das alte Viertel Qindaos zu wandern, denn viele dieser Gebäude werden heute zwar für moderne Zwecke, wie beispielsweise Büchereien oder Kinos, verwendet können darüber hinaus aber eben auch völlig ohne Anmeldung oder Museumskarte besichtigt werden und bieten dabei immer wieder Informationen über die Vergangenheit.

Es ist wirklich überraschend zu sehen, wie sehr sich die alte Architektur in Qindao von dem modernen China unterscheidet und in einigen Teilen der Stadt könnte man auf den ersten Blick wirklich meinen, man befinde sich in einer kleinen verschlafenen europäischen Hafenstadt der frühen 1910er Jahre.


Quellen, Links und Interessante Texte:

Qingdao (Wikipedia)

Gunther Plüschow (Wikipedia)

Archivführer – Deusche Kolonialgeschichte

Franz Oster – Der erste Flieger von Tsingtao

Der erste Flieger von Tsingato: Franz Oster (1869 – 1933) – Eine biographische Skizze zusammengestellt von Wilhelm Matzat, 2009

Wilhelm Matzat (Wikipedia)

Fünf Frauen, die Luftfahrtgeschichte schrieben (Aero Telegraph)

Berühmte Fliegerinnen – Élise Léontine Deroche

Aufschwung und Absturz der „Taube“ (Deutsches Museum)

Ehemalige Residenz des Gouverneurs

Kapstadt, Südafrika: „Picturesque“

Tafelberg – Blick über Kapstadt

In vergangenen Jahren wurde Kapstadt nicht nur einmal zu den besten Reisezielen der Welt gewählt und es steht fest: die Stadt bietet eine unglaubliche Vielfalt an Impressionen, die sich unmöglich in nur einem Text darstellen lassen.


Seit 2017 gibt es mit dem Zeitz Museum of Contemporary Art Africa (MOCAA) einen neuen Stern am Himmel der Museen zeitgenössischer Kunst. Teilweise kritisiert als „schwarzes Museum für weiße Besucher“, ein Kritikpunkt der gerade mit Blick auf die Entstehungsgeschichte in Verbindung mit der hohen kultur-touristischen Beliebtheit des Museums durchaus berechtigt ist, bietet das MOCAA einen Raum für künstlerische Aufarbeitung schwarzer Kultur, Kunst und Geschichte in Südafrika.

Zeitz Museum of Contemporary Art Africa an der V&A Waterfront

Im Februar 2018 besuchte ich zum ersten Mal eine Ausstellung im MOCAA und selbst heute, drei Jahre später, kann ich viele der dortigen Ausstellungen zu den prägendsten zählen, die ich sehen durfte.

Ist das Zeitz Museum of Contemorary Art Africa also die beste Anlaufsstelle auf der Suche nach authentischer schwarzer Kunst in Südafrika? Nicht unbedingt und nicht grundsätzlich, dennoch ist es sicherlich die beste Anlaufstelle für einen ersten Eindruck und Überblick über dieses unglaublich vielseitige Thema.

Jedes Dasein als Touristenmagnet, als offizielle Top Adresse, besteht natürlicherweise immer in einer kontinuierlich doppelten Existenz zwischen „heritage tourism“ und – im Falle des Museums – Kunst. Ist man sich dieser Doppeldeutigkeit (denn ich würde das ganze doch viel ehr als „Koexistenz“ bezeichnen, statt als „Gegenseitigkeit“) jedoch bewusst, so kann man – auch außerhalb Kapstadts – Kunst mit der jeweiligen Hintergrundrecherche, nicht nur unglaublich vielseitig, sondern auch langfristig erfahren. Verfolgt man die Wege und das Schaffen einiger Künstler, deren Werke ihren Platz in das MOCAA fanden trifft man davon ausgehend auf andere südafrikanische Künstler, auf andere schwarze Künstler, auf andere zeitgenössische Künstler und so weiter…

Darüber hinaus zeigt das MOCAA auch durch seine bloße Entstehung, wie wichtig ein fortlaufender Fokus auf schwarze und afrikanische Kunst ist, denn zum Zeitpunkt der Gründung was das MOCAA in seiner Größenordnung und seinem Zweck das erste seiner Art.

Die Architektur des MOCAA geht bis zurück in das frühe 20. Jahrhundert

Für mich gehört „More Sweetly Play the Dance“ von William Kentrige zu den beeindruckendsten Ausstellungen des MOCAA. Der südafrikanischen Künstler, der mit diesem Kunstwerk bereits Kunstinteressierte auf der ganzen Welt bewegte, erlebte die Politik Südafrikas im 20. Jahrhundert hautnah mit, sein Schafffen greift dies auf.

Um der Atmosphäre von „More Sweetly Play the Dance“ gerecht zu werden, habe ich selbst weder das nötige künsterische Vokabular, noch die umfassenden Kenntnisse und so ist an dieser Stelle Platz für zwei Leseempfehlungen: „Artforum“ und „The Paris Review“ widmeten sich schon diesem Werk.

Auf YouTube findet man einen sehr guten Mitschnitt:


Nun ist Kapstadt natürlich nicht nur für seine Kunst und Südafrika nicht nur für seine Künstler bekannt, denn gerade die Naturschauspiele rund um die Stadt lassen Besucher mit bewunderndem Blick auf Geographie und Biodiversität zurück .

Delaire Graff Estate

Die Biodiversität ist wohl das größte Gut der Stadt und ihrer Region, sodass sowohl Nutzen, als auch Schutz dessen Potentials, auf der südafrikanischen Agenda weit oben stehen. Eine Vielzahl an Organisationen, wie beispielsweise CapeNature, haben sich auf den Schutz des Western Cape, der Provinz Kapstadts, spezialisiert und stellen – als kleine Information am Rande für diejenigen, die mehr darüber erfahren möchten – auch online Informationen rund um den Schutz und die Bedeutung der Biodiversität im Westkap zur Verfügung. Ich kann jedem nur empfehlen, einen Blick auf diese Dokumente und Beiträge zu werfen.

Tatsächlich kann man, mit einem Blick auf globale Biodiversität, von Kapstadt als der vielfältigsten Region der Welt sprechen. (http://www.botgart.uni-bonn.de/o_frei/syskart.php)



Quellen und einige interessante Artikel: