Der erste Flieger von Qingdao
In Qingdao, ehemalige Kolonie Tsingtao, geht die deutsch-chinesische Vergangenheit bis zurück in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten Grundsteine des langjährigen Militarstützpunktes gelegt wurden, der zu Beginn die Sicherheit der deutschen Unternehmer in der jungen Kolonie garantieren sollte und im Laufe der Zeit und unter Verwendung sogenannter „Pachtverträge“ zu einem der wichtigsten Knotenpunkte des damaligen Deutschlands in den Osten wurde.
Über wochenlange Land- und Seewege schlugen sich Tausende in der Hoffnung nach einem neuen Anfang und wirtschaftlichem Erfolg oder aufgrund militärischer Order nach Qingdao durch und auch als sich die erste Generation Kolonisten im Osten eingelebt hatte blieben diese Handelswege von großer Bedeutung, denn der aufwändige Lebensstil wollte entsprechend versorgt werden und so schickte man munter und kompakt verpackt Möbel, Kleidung oder Rohstoffe von Deutschland nach Qingdao.

Franz Oster und seine Rumpler-Taube
An solche logistischen Dimensionen gewöhnt, wird es theoretisch kaum jemanden verwundert haben, als ein gewisser deutscher Unternehmer, der es in China zu Bekanntheit und Erfolg gebracht hatte, im Jahr 1911 eine kleine, schwachmotorige, Maschine aus den Rumplerwerken nach Qingdao verfrachten lies. Theoretisch, denn damals befand man sich an einem Punkt der Weltgeschichte, an dem Mobilität an Land, See und Luft ihren Kampf um Effizienz noch nicht ausgefochten hatten und so schickten Hobbypiloten ihre Flieger eben durchaus auch per Seeweg um die Welt.
Praktisch erregten die fliegerischen Bemühungen Franz Osters doch recht große Aufmerksamkeit. Groß genug jedenfalls, als dass man bis heute über Berichte mehrerer Zeitschriften Osters Weg zum ersten Flieger Qingdaos nachvollziehen kann.
Ob Wright und Whitehead, Deroche und Earhart oder eben Plüschow und Oster, es ist ein Phänomen der Luftfahrtgeschichte, fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass die bekanntesten Pioniere selten die ersten waren. Gunther Plüschow war Marineoffizier in Qingdao und startete ab 1914 während des Krieges und der Belagerung der Stadt diverse Aufklärungsflüge und militärische Missionen mit seiner Maschine. Er konnte während des Ersten Weltkriegs und im Zuge mehrerer Gefangenschaften in einer Odysee um die halbe Welt seinen Weg zurück nach Deutschland finden und schrieb anschließend ein autobiographisches Werk über seine Erlebnisse: „Die Abenteuer des Fliegers von Tsingtao“.
Das war genug um Gunther Plüschow für viele auch zum „Ersten Flieger von Tsingtao“ zu machen, doch Fakt ist, dass er diesen Titel um einen Vorsprung von knapp einem Jahr an Franz Oster verloren hatte.
Franz Oster startete in seiner eigens verschifften Rumpler-Taube ab dem 9. Juli 1913 regelmäßig und recht erfolgreich Pionierflüge rund um Qingdao. Zwar reichten weder die lokalen Wetterverhältnisse noch die Konstruktion der damals so beliebten Rumpler-Taube für großartige Strecken – oder in den meisten Fällen mehr als einem Passagier, dem Piloten – aus, dennoch hatte Frau Oster das Glück, die erste Frau gewesen zu sein, die Qingdao jemals von oben sah.
Qingdao Heute – Zwischen Gegenwart und Vergangenheit
Heute kommt man über die Verbindung Frakfurt-Qingdao innerhab einiger Stunden per Luftlinie in die Stadt.
Als ich 2017 zum ersten Mal durch den Qingdao Liuting International Airport lief und anschließend die rund 40 Minuten Fahrt vom Flufhafen zum alten Hafen und schließlich zur wesentlich moderneren Waterfront mit Hotels, Restaurants und typischem Night Market zurücklegte musste ich an die Aussage eines befreundeten Piloten denken: „Qindao ist China light.“

Dieser Vergleich ist nicht vollkommen falsch, denn die chinesische Millionenstadt erlebt man – verglichen mit anderen asiatischen Metropolen – ungewöhnlich gemütlich.
Als Liebhaberin historischer Architektur ging ich schließlich einer Empfehlung nach, nach der es in einem ehemaligen Offiziersheim bei der früheren Residenz des deutschen Gouverneurs nicht nur die Möglichkeit gibt einen Einblick in Spuren der Vergangenheit zu erhalten, sondern auch die Aussicht auf guten Kaffee und Desserts. (Eine Tatsache, die ich auf der Suche nach einem Empfehlungslink bis heute nicht beweisen konnte, vielleicht also sogar ein wirklicher „Geheimtipp“).
Ich kann jedem, der gerne einen Einblick in historische Überbleibsel wirft nur empfehlen einmal etwas durch das alte Viertel Qindaos zu wandern, denn viele dieser Gebäude werden heute zwar für moderne Zwecke, wie beispielsweise Büchereien oder Kinos, verwendet können darüber hinaus aber eben auch völlig ohne Anmeldung oder Museumskarte besichtigt werden und bieten dabei immer wieder Informationen über die Vergangenheit.
Es ist wirklich überraschend zu sehen, wie sehr sich die alte Architektur in Qindao von dem modernen China unterscheidet und in einigen Teilen der Stadt könnte man auf den ersten Blick wirklich meinen, man befinde sich in einer kleinen verschlafenen europäischen Hafenstadt der frühen 1910er Jahre.
Quellen, Links und Interessante Texte:
Archivführer – Deusche Kolonialgeschichte
Franz Oster – Der erste Flieger von Tsingtao
Fünf Frauen, die Luftfahrtgeschichte schrieben (Aero Telegraph)
Berühmte Fliegerinnen – Élise Léontine Deroche